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Früher Sanatorium

Am Platz des Parlaments Nr. 1 in Eupen befindet sich seit Oktober 2013 das Parlament der Deutschsprachigen Gemeinschaft. An dem Haus, das im Volksmund auch das „Sanatorium“ genannt wird, lässt sich wie an kaum einem anderen öffentlichen Gebäude die jüngere Geschichte der Deutschsprachigen Gemeinschaft festmachen. Je nach politischer Großwetterlage änderten die deutschen und die belgischen Eigentümer des Gebäudes und auch dessen Zweckbestimmung.

Mit der Übertragung des Unterrichtswesens an die Gemeinschaften ging das Gebäude sowie das umliegende Gelände in das Eigentum der Deutschsprachigen Gemeinschaft über. Auch seine Zeit als Unterrichtsanstalt ist vorbei, doch der historische Bau hat eine neue Zweckbestimmung erhalten: Das Parlament der Deutschsprachigen Gemeinschaft nimmt seit 2013 hier seine Aufgaben als Gesetzgeber der Gemeinschaft wahr.

1910: Die Kaufmannsgesellschaft

Die Kaufmannserholungsgesellschaft ist Bauherr des Sanatoriums. Die Gesellschaft wird 1910 von dem Wiesbadener Kaufmann Josef Baum gegründet und nennt sich später „Europäische Gesellschaft für Kur und Erholung“.

In ihrer Blütezeit ist sie Träger von 48 Häusern und damit die größte private Sozialvereinigung in Deutschland. Nach dem 2. Weltkrieg führt sie nur noch 22 Häuser in Westdeutschland. Um 1985 ist sie hoch verschuldet und muss Grundstücke und Gebäude verkaufen. Heute gehört der Gesellschaft noch ein Hotel, der „Kissinger Hof“ in Bad Kissingen.

1914: Zeit des 1. Weltkriegs

Das Gebäude wird in den Jahren des 1. Weltkriegs errichtet, als Eupen noch deutsch ist. Das Haus soll als „Kaufmannserholungsheim“ dienen: Kaufmännische und technische Angestellte sowie Kaufleute sollten sich hier von den Strapazen ihrer Arbeit, die sie in den „Steinwüsten der Großstadt“ leisten, erholen können.

Die Planung des Gebäudes liegt in den Händen der Architekten Jacobi und Badermann aus Düsseldorf. Finanziert wird das Bauvorhaben mit Spenden- und Stiftungsmitteln aus industriellen Kreisen. Auf Eupener Seite ist der Bürger Edler von Scheibler Fürsprecher des Bauvorhabens und treibende Kraft.

Eupen will sich als Luftkurort profilieren. Die Stadt unter Bürgermeister Graf von Metternich erhofft sich einen Aufschwung des Tourismus und unterstützt das Vorhaben am Kehrweg großzügig: Sie stellt 8,5 Morgen Land zur Verfügung, legt die Zufahrt an, will für die Wasser- und Stromversorgung aufkommen und gewährt einen Bauzuschuss von 30.000 Reichsmark.

1915-1917: Rohbau

1915 ist Baubeginn, die Fertigstellung des Rohbaus erfolgt 1917. An alles haben die Architekten gedacht: Das graue Schieferdach passt sich der Landschaft auf dem höchsten Punkt Eupens bestens an, im Gebäude werden Bäder und Räume für die orthopädische Behandlung von Kriegsversehrten eingerichtet.

Am Eingang, auf der Seite des heutigen Rundfunkgebäudes, entsteht ein Keglerheim, das später in ein Treibhaus umgewandelt wird. Eine prächtige Arztwohnung wird genau dort gebaut, wo heute der BRF sein Hörfunk- und Fernsehprogramm macht. Durch eine prächtige Gartenanlage sollen die Kurgäste lustwandeln und sich den frischen Atlantikwind um die Nase wehen lassen.

1918: Lazarett

Die Eröffnung des Kaufmannserholungsheims ist 1919 geplant; doch es herrschen Kriegszeiten. 1918 beschließt die Lazarettverwaltung Aachen, das Gebäude für eigene Zwecke zu nutzen.

1920: Belgien

Durch den Versailler Friedensvertrag werden die Kreise Eupen-Malmedy 1920 belgisch. Die Kaufmannsgesellschaft verkauft das Gebäude am Kehrweg für 1.125.000 Reichsmark an die belgische "Société Nationale contre la Tuberculose".

1922: Haus für Lungenkranke

Am 14. Juli 1922 wird das Sanatorium für Lungenkranke eröffnet. Gleichzeitig findet hier die 3. Internationale Konferenz der Liga für Lungenkranke statt. Anwesend ist Generalleutnant Herman Baltia, Gouverneur von Eupen-Malmedy.

1940-1945: 2. Weltkrieg

Nach der Annektierung von Eupen-Malmedy durch Nazi-Deutschland kurz nach dem Einmarsch in Belgien wird das Gebäude wieder der Kaufmannsgesellschaft übertragen. Am 21. Mai 1941 eröffnet diese das „Rheinische Ferienheim Eupen“. Doch schon 1942 wird aus dem Gebäude ein Lazarett für lungengeschädigte Soldaten.

Während der Ardennenoffensive richten die Amerikaner hier ein Frontlazarett ein.

1947: Wieder Sanatorium

1947 übernimmt die Nationale Gesellschaft für Lungenkranke das Gebäude wieder. Die Universität Löwen nutzt es als Universitätssanatorium, wobei auch Patienten der Universität Lüttich hier behandelt werden.

Ab 1965: Schulgebäude

Der Staat kauft das Gebäude für das Staatlich-Technische Institut (STI).

Die Schülerzahlen steigen unaufhörlich, sowohl die Kellerräume als auch das Dachgeschoss werden zu Klassenzimmern umfunktioniert. Weitere Schulklassen werden auf dem umliegenden Gelände errichtet, die sogenannten RTG-Gebäude.

Um dem chronischen Platzmangel entgegen zu treten, errichtet die staatliche Schulverwaltung ein neues Schulgebäude an der Vervierser Straße in Eupen. Nach der Fusion mit der Städtisch-Technischen Schule (STS) heißt die Schuleinrichtung fortan Robert-Schuman-Institut (RSI).

1989: Die Deutschsprachige Gemeinschaft wird zuständig

Die Deutschsprache Gemeinschaft übernimmt die Zuständigkeit für das Unterrichtswesen vom Föderalstaat nach der Verfassungsreform von 1988. Seitdem verwaltet sie auch die Schulinfrastrukturen. Per Königlichen Erlass vom 22. Oktober 1991 überträgt der belgische Staat das Gebäude und das umliegende Gelände in das Eigentum der Deutschsprachigen Gemeinschaft.

Ab 2000: Suche nach neuer Zweckbestimmung

Auch wenn der Unterricht des RSI im Wesentlichen an der Vervierser Straße stattfindet, dient das Gebäude am Kehrweg noch bis Ende des Schuljahres 2006-2007 als Internat, auch einzelne Unterrichte finden noch hier statt. Doch das Gebäude ist mittlerweile zu groß, die Einrichtung veraltet.

So stellt sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts die Frage nach einer neuen, sinnvollen Zweckbestimmung. Mit der Entscheidung, hier den Parlamentssitz einzurichten, dürfte eine langfristige Lösung für den Erhalt des Gebäudes gefunden worden sein.

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  • Bauarbeiter um 1916
  • Blick auf die Unterstadt mit dem Scheiblerhaus
  • Blick von der Unterstadt
  • Blick von der Unterstadt
  • Eingang Park
  • Fassadentfront frueher
  • Vorderfront
  • Luftaufnahme mit Liegehallen und Gartenanlage
  • Eingangshalle
  • Aufenthaltsraum
  • Lesezimmer
  • Kueche
  • Speisezimmer
  • Krankenzimmer
  • Einbettzimmer
  • Gebäude im zweiten Weltkrieg